Mittwoch, 23. April 2014

Alles eine Frage der Zeit....

Zeit, die wir uns nehmen, ist Zeit, die uns etwas gibt. (Ernst Ferstl)




Wahre Freundschaft braucht Zeit. Man teilt meist nicht nur ein Hobby, sondern kann über Gott und die Welt reden, weiß, dass der andere immer für einen da ist, immer erreichbar ist, man lacht, macht Blödsinn, ist furchtbar ernst, philosophiert, erlebt Abenteuer, ruht sich aus, […] Ein bester Freund ist jemand, der dich kennt und trotzdem liebt. Jemand, mit dem einfach alles Spaß macht. Man kann sich richtig verkrachen und wird sich trotzdem immer verstehen. Mit manchen Leuten ist man auf einer Wellenlänge und scheint „sofort“ gut miteinander klarzukommen. Aber diese positive Grundlage allein reicht nicht. Nur wer dem anderen viel Zeit schenkt, kann eine richtige Verbundenheit erwarten. Samurai und ich verstehen uns blind, weil wir bald zehn Jahre jede freie Minute miteinander verbringen. Wir kennen uns in und auswendig. Dabei muss man sich gar nicht pausenlos miteinander beschäftigen, es reicht schon, wenn man „einfach da ist“. Viele Menschen kommen nur eine Stunde am Tag – oder sogar nur alle paar Tage mal – zu ihrem Pferd und verlangen dann, dass es mit ihnen hohe Lektionen geht. Die Beziehung bleibt dabei auf der Strecke. Aber gerade sie ist es, die erst die „Arbeit“ mit einem Tier ermöglicht. Sie ist der Mörtel, der alles zusammenhält. Ohne Beziehung fällt das Team auseinander – wie ein Kartenhaus. Zeit, die man in die „Verbindung“ zu seinem Tier investiert, ist nie verlorene Zeit – im Gegenteil, sie zahlt sich meist hundert Mal aus.


Die nächsten Tage verbrachte ich täglich 7-8 Stunden bei Cheveyo. Ich ging nur heim, um mit Samu zu joggen, zu spielen und zu tricksen. Und ja, Essen und Schlaf brauchte ich auch noch.
Ansonsten fand man mich aber immer auf dem Hof. „Bald musst du auch Miete zahlen“ oder „Was machst du denn den ganzen Tag?“ kam grinsend-unverständlich von den anderen Pferdebesitzern.

Ja, was machte ich eigentlich?
Die meisten Stunden war ich einfach nur „da“. Abäppeln, in der Ecke sitzen, streicheln, die Nähe genießen. Einmal stand ich eine viertel Stunde mit dem Rücken zu ihm auf dem Aussichtsposten, beobachtete die Straßen und Felder … und er stand direkt hinter mir, den Kopf über meiner rechten Schulter haltend, das Hinterbein in Ausruh-Stellung und so genossen wir die Zweisamkeit.

Da er ja noch nicht lange grasen darf, kommt er immer auf den großen Sandplatz. Die anderen Pferde sind auf der Wiese, was ihm anfangs gar nicht passte. Aber ich war ja da. Und so wurde ich zu seiner „Ersatzherde“. Ich lobte und belohnte ihn jedes Mal, wenn er bei mir „vorbeikam“. So trappelte er immer öfter auf mich zu, wenn ich mich irgendwo hingesetzt hatte, prustete mir ins Gesicht oder stupste mich an.
Hin und wieder ließ ich ihn ein paar Schritte rückwärts gehen oder übte, dass er mir folgte. Er war die ganze Zeit frei und so lebten wir ein klein wenig ein Herdenleben, mit futtern, beieinander sein und Bewegung.
Nach ein paar Tagen war er so darauf geprägt, „zu mir zu kommen“, dass ich in die Gegenrichtung wirken musste und ihm klarmachte, dass er auch mal Abstand halten soll oder durchaus auch mal „weichen muss“.



Da er dort nicht viel fressen konnte, wurde ihm manchmal langweilig. Also brachte ich hin und wieder kleinere Übungen ein, wie z.B. einen Stock aufheben, alle Beine auf Antippen anheben, usw.

Cheveyo scheint das Leben dort richtig zu genießen. Nach kurzer Zeit legte er sich nachts zum Schlafen hin. Er betritt jetzt auch de Unterstand, da er weiß, dass keiner plötzlich eine „Boxentür zumacht“. Er verkrampft sich nicht mehr, wenn ihn jemand anfassen möchte, sondern kommt selbst zum „Schmusen“.

Der Kleine nimmt einfach alles Gute dankend an und reitet nicht auf den negativen Erfahrungen herum. Schon jetzt scheint er wie der „ruhende Pol“, viel gelassener und „angekommener“ als z.B. der Wini, der schon viele Wochen da ist.




Da Chevy sich so gut machte, konnten wir schon bald mit Spaziergängen beginnen. Das schweißt nochmal zusammen und ist außerdem super für seine unterentwickelten Muskeln. Bergauf, bergab, durchs Tal, auf die große Fläche, traben an der Hand, rennen, bremsen, rückwärts den Hügel hoch…
Als Lusitano ist er einfach schrecklich mutig. Kühe? Warum sollte man Angst vor denen haben? Ich bin doch ein Stierkampfpferd! Hallo, Kuh!
Ziegen? Lass sie blöken!
Fahrräder? Oh, schnelle Menschen!
Autos? Kann man da drüberlaufen?
Traktor? Na…nicht so super, aber egal!

Er macht sich so unglaublich toll. Nachdem er anfangs Schwierigkeiten hatte, die hinteren Hufen zu heben, wird das jetzt auch auf dem Putzplatz eifrig geübt.
Cheveyo vertraut immer mehr. Und ich denke – nein, bin überzeugt – dass die lange Zeit, die wir miteinander verbringen, da unglaublich viel zu beiträgt.
Natürlich möchte er auch zu den anderen Pferden! Aber es ist okay für ihn, bei mir zu bleiben. Ich kann ihn meist mit zwei Fingern führen. Selbst wenn er aufgeregt ist, lässt er sich „zurückschicken“ oder kann warten, bevor man ihn laufen lässt, obwohl er gerne direkt losstürmen würde.

Dann wurde unsere anfängliche Bindung auf die Probe gestellt. Er durfte eine Stunde zu den anderen auf die Weide. Ich muss zugeben, ich hatte ziemliche Angst, dass wir wieder so ein Drama mit dem Einfangen haben würden. Dieses Mal wollte ich aber anders vorgehen. Ich blieb die ganze Zeit mit auf der Wiese, tat so, als wäre auch ich dort mit grasen beschäftigt. So konnte ich Chevy langsam näherkommen, ihn berühren und dann wieder gehen. Er sollte lernen, dass er nicht immer von der Wiese geholt wird, wenn ein Mensch auf ihn zukommt. Und es funktionierte! Ich war so stolz, als er dann von alleine zu mir kam! Natürlich gab´s dafür etwas ganz Besonderes: Einen Apfel!

Auch so versuchte ich, ihm Halt zu geben und als Vermittlerin zu fungieren. Wenn Wini es mal wieder übertrieb und ihn grundlos wegscheuchte, scheuchte ich im Gegenzug hin und wieder Wini weg. Cheveyo war sichtlich beeindruckt, was ich mir da „traute“ und ihn beschützte.


Bisher fühlt sich also alles richtig an. Wir gehen kleine Schritte – dafür aber in die richtige Richtung!





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