Samstag, 21. Juni 2014

„Pferde sind doch zum Reiten da!“


Es nervt. Ganz ehrlich. Selbst wenn die meisten es damit überhaupt nicht böse meinen. Aber wenn man mich nach meinem Pferd fragt, heißt es immer „Reitest du ihn schon?“ „Ab wann wirst du ihn reiten?“, blablabla.
Warum hat man ein Pferd? Um es zu reiten?
Warum gibt es Pferde? Damit Menschen sie reiten können?
Die meisten Menschen sind fasziniert von der Schönheit, Kraft gepaart mit Sanftmut. Wer galoppierende Pferde sieht, beneidet sie, will mit fliegen.
Aber Pferde kamen nicht auf diese Welt, damit sich jemand auf ihren Rücken schwingen kann. Eigentlich ist allein die Vorstellung schon verrückt. Der Mensch hat es geschafft, mit vielen Tierarten in Symbiose zu leben, sie teilweise gar so zu züchten und zu manipulieren, dass sie abhängig von ihm geworden sind. Durch Selektion konnte man sicher einiges verändern… Aber nicht so viel, dass Pferde geboren werden, die fürs „Reiten gemacht sind“. Um überhaupt einen Menschen tragen zu können, gehört sehr viel Training dazu. Oder schleppt ihr doch mal von einem Tag auf den anderen ein Kind durch die Gegend, rennt mit ihm Berge hoch oder springt über Hindernisse. Am besten dann noch den Rest des Tages bewegungseingeschränkt irgendwo rumsitzen…
Was mit einem Pferd passiert, das ohne richtige Vorarbeit einen Reiter tragen musste und sich ansonsten kaum bewegen durfte, sieht man an Cheveyo.
Dieser verdammte Egoismus des Menschen, der Glück auf dem Rücken der Pferde empfindet, geht nicht selten zum Leidwesen des Tieres.
Chevyto soll die Möglichkeit bekommen, sich zu erholen. Ich arbeite am Boden mit ihm, damit er die richtige Muskulatur aufbaut. Nicht, damit ich ihn reiten kann, sondern, damit es ihm gut geht, er zu seiner inneren und äußeren Stärke findet und an Lebensqualität gewinnt. Ich liebe dieses zauberhafte Wesen für seinen Charakter, seine zuckersüße, lernwillige Art. Ich mag ihn, egal was man mit ihm „machen kann“. Es ist nicht seine Aufgabe, dass er von mir geritten werden kann. Er hat die Chance auf ein gutes Leben verdient. Ein Leben mit vielen Sozialkontakten, gutem Futter, viel Bewegung und Gesundheit. Ich möchte, dass er Spaß mit mir hat.
Es spielt keine Rolle, ob es Wochen, Monate oder Jahre dauert, bis er sich vollkommen erholt hat bzw. besser denn je drauf ist. Und wenn wir irgendwann einen Punkt erreichen, an dem er einen Menschen schadenfrei tragen kann, dann können wir auch das ausprobieren. Aber dies ist kein „Muss“, keine Voraussetzung dafür, dass er ein großartiges Pferd ist. Das ist er jetzt schon. Er kann nichts dafür, was man mit ihm getan oder nicht getan hat.
Beim nächsten Mal, wenn mich jemand fragt, warum ich ihn noch nicht reite, denn dafür hat man doch schließlich ein Pferd, antworte ich vielleicht mit: „Wer weiß, vielleicht werde ich ihn nie reiten!“
Denn ein Pferd ist ohne Reiter immer noch ein Pferd! Und genauso wertvoll.



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